Freitag, Juni 17, 2016

"Soldiering through"

Das ist ein Ausdruck, den ich von meinem amerikanischen Oberchef gelernt habe (übrigens von dem, der gerne auf Mails, die kurz und knapp geschrieben sind, mit "jawohl" antwortet und mich in tiefe Gewissenskonkflikte ob meiner interkulturellen Fähigkeiten stürzt.).
Er trifft ganz gut, wie wir hier an die letzten zwei Wochen vor den Schulferien und unserem Urlaub herangehen. Die Kinder sind nach einem anstrengenden Schuljahr (alles neu für L., neuer Lehrer, neu gemischte Klasse, neue Stufe für Q.) einfach durch, dazu kommen letzte Tests, hier noch Abschluss, da Konzert. Der Hübsche und ich hatten lang keine Ferien mehr, mein Überstundenkonto quillt über (beim Hübschen nicht mal das, weil er seine Arbeitszeit gar nicht erfassen muss/darf), die To-Do-Liste, die ich noch vor dem Urlaub abarbeiten muss bzw v.a. möchte, wird noch nicht wirklich kürzer, weil immer neue Feuerwehraktionen reinkommen.
Und ich merke, wie wir alle dünnhäutig werden. Wie ich auf "Aber du könntest doch noch schnell ..." und "Ich weiss, das ist eigentlich nicht Dein Job, aber Du kriegst Dinge doch immer irgendwie erledit, könntest Du trotzdem ..." nicht mehr, wie sonst mit einem strahlenden "Klar, mach ich", nicht mal mehr mit einem freundlichen "Im Prinzip gern, aber es kann ein bisschen dauern", sondern mit einem schmallippigen "Wenn's unbedingt muss sein" reagiere. Ich tendiere dazu, nicht mehr locker flockig blöde Witze zu machen, sondern schleichend immer fieser sarkastisch und fast zynisch auf irrwitzige Anfragen zu reagieren. Pokerface kann ich ja nie, aber während ich normalerweise eher lustige Gesichter mache, ziehe ich im Moment Augenbrauen über rollenden Augen hoch und reagiere gar nicht cool auf vermutlich (vermeintlich?) witzige Bemerkungen.
Wenn dann die Katze um drei Uhr nachmittags ihre mangelhafte Hygiene nach Toilettenbesuch auf dem um 6:00h frisch bezogenen Bett bereinigt, lache ich nicht mehr von Herzen. Ich bin zwar noch nicht so weit, dass ich sichtbar wütend werde oder irgendwas an die Wand werfe (nein, auch nicht die Katze), ich atme tief ein und aus, mache ein verkniffenes Gesicht und beziehe das bis auf als Katzenklopapier unbenutzte frische Bett halt nochmal frisch. Immerhin ist der Trockner mit der frisch gewaschenen Bettwäsche von heute morgen grad fertig.
Wenn nach dem Grosseinkauf eine volle Einkaufstasche von der Küchentheke auf den Fliesenboden kippt, schaffe ich es zwar noch, das positive daran zu sehen, dass es die Tasche mit dem Joghurt und den Tiefkühlsachen war und nicht die mit den zwei Schachteln Eiern und dem Sixpack Bier. Trotzdem mache ich kein Foto für Instagram von mir beim lustigen Joghurtaufputzen.
Ich reagiere uncool auf die ganz normalen Kinderhirnleistungen ("Regenjacke? Welche? Weiss nicht, wo die ist, Pfingsten hatte ich sie noch.", "Echt? Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass Du mir echt schon 45mal gesagt haben sollst, dass ich die Becherlupe in der Schule zurückgeben soll..." und "Hier ist ein Brief, den habe ich schon ein paar Tage vergessen.").

Das Gute ist: ich weiss, dass es nur eine kurze Durststrecke ist, dass es vorbeigeht, sogar wann es vorbei ist. Der Dauerregen tut natürlich seinen Teil dazu, dass hier noch keine richtige Sommerferienstimmung aufkommt (und mein Biketowork diesmal nicht wirklich bombig viel Spass macht.), ich bin einfach müdemüdemüde (ja, die 30km Radeln jeden Tag könnten auch damit zu tun haben).

Wenn es alles zu viel wird, schaue ich mir die Wetterdaten für Las Vegas an, kriege Schnappatmung wegen SECHSUNDVIERZIG GRAD, schaue mir die Wetterdaten für San Diego an (25°C, alles wunderbarstens), blättere in meinem perfekt zeitlich geordneten Reiseunterlagenordner, schaue den mit all unseren Google-Accounts geteilten perfekt sortierten Reiseplan (mit allen Dokumenten in elektronischer Form hinterlegt) an, kontrolliere nochmal schnell alle Daten und Reservierungen und wenn es ganz schlimm wird, reserviere ich doch noch schnell ein Motelzimmer in Barstow, obwohl im Reiseführer steht "Eher schneit es im Juli im Death Valley, als dass es in Barstow kein freies Zimmer gibt".

Da der Hübsche dieses Wochenende Sportseminar hat, habe ich spontan für die Jungs und mich Zirkuskarten für morgen gekauft und jetzt schaue ich mir doch "Orange is the new black" an. Mit einem Glas Wein. Irgendwann ist fertig mit Arbeit.

4 Kommentare:

Ilona hat gesagt…

Hallo Frau Brüllen,
ich(56) habe nun vor drei Jahren gelernt, das "nein, tut mir leid, aber nein!" nicht dazu führt, das mich alle doof finden. Sondern ihre Aufgaben einfach selbst erledigen, anstatt sie mir zu geben. Weil ich ja alles so toll mache.
Alles Liebe und ......durchhalten. Nur noch zwei Wochen!
Ich freue mich jeden Tag auf Ihren Blog und staune wirklich, wie diszipliniert Sie sind! Hochachtung!
Viele Grüße aus dem Solling.....Ilona

Brigitte hat gesagt…

Ich (58) kamn nur die Weisheit von Beppo Strassenkehrer aus "Momo" weitergeben: Schritt, Atemzug, Besenstrich....bis zum Beginn des Urlaubs. Starke Nerven bis dahin.

Anonym hat gesagt…

Vielleicht sind manche Kommentare gar nicht so "saudumm", wie Sie das bezeichnen.

Frau Brüllen hat gesagt…

@anonym vielleicht nicht nur dumm, vielleicht auch bösartig, übergriffig, auf jeden Fall unnötig, so wie der hier.