Samstag, Dezember 19, 2015

Weihnachtsfeierpeinlichkeit in 5 Akten

1. Kaum angekommen werde ich vom Gastgeber (also: eigentlich war der Gastgeber mein alter Chef, uneigentlich war die Weihnachtsfeier gleichzeitig die Abschiedsfeier eines Kollegen, der in den Ruhestand geht und diesse Feier schon länger plant, als ich überhaupt in der Firma bin) beiseitegenommen und eingeweiht, dass ich die Losfee für die geplante Verlosung von edelsten Weinen und Spirituosen sein werde. Für mich, ausgestattet mit einem gewissen Rampensau-Gen, ist das an sich jetzt ja noch nicht so schlimm, ein bisschen eher Bescheid wissen wäre noch toller gewesen, dann hätte ich mich nicht nur schick gemacht, sondern noch ein wenig Losfeeglamour mitgebracht, wie einen glitzernden Zylinder zum Loserausziehen oder so. Immerhin habe ich mich überzeuge lassen und DAS KLEID angezogen:


2. Nachdem mir erklärt wurde, wie wertvoll die Preise sind (Magnumflasche "Chocolate Block", irgendeine Jahrgangsrum und, tadaaaa, ein 100/100-Parkerpunkte-Clarendon Hills-Astralis 2010), werde ich in die Feinheiten der Verlosung eingeweiht, nämlich erst eine Fakeverlosung, wo auf allen Losen der Name des Gastgebers steht, und "dann, haha, sagst Du, da stimmt ja wohl was nicht, das ist überall die gleiche Schrift und dann machen wir die richtige Verlosung." Auch da: hilft nix, der Gastgeber wünscht das so und witzig sein, das kann ich ja eigentlich, ich lasse mir was einfallen, das klappt schon. Muss ja. Plan: vor dem Dessertbuffet, ich plane also den Weinkonsum entsprechend (der Gastgeber ist Wein- und Spirituosensammler, der Degustationstisch ist der Hammer"), so dass ich pünktlich zur superwitzigen Verlosung lockerfluffig lustig bin, aber noch fest auf beiden Beinen stehe und auf gar keinen Fall am Nuscheln bin.



3. Der allererste Chef des Gastgebers, der mittlerweile pensioniert ist und/oder in zig Verwaltungsräten sitzt und von dem ich nur eine Namensabkürzung kenne, muss schon gehen, deswegen wird die Verlosung vorgezogen und findet schon direkt nach dem Gruss aus der Küche statt. Das wirft meinen Trinkplan total durcheinander, aber ich bin ja total flexibel. Also: ich ziehe in bester Maren Gilzer-Manier Loszettel, bin angemessen erstaunt, dass immer der gleiche Name draufsteht, hole mir von der anwesenden QA-Vertreterin das Endorsement, dass diese Ziehung definitiv ungültig ist, die nächste Lostrommel kommt. Ich ziehe also das erste Los für die Magnumflasche und es ist der Name eines Mitarbeiters, der auf dem Produkt arbeitet, was ich früher betreut habe.

4. Soweit so gut, ich lasse das Publikum die Lostrommel schütteln, greife blind hinein, und ziehe einen Zettel, als ExKollege, mit dem ich auf eben diesem Produkt auch sehr lang gearbeitet habe und der mir ausserdem eine Rückfahrgelegenheit angeboten hat, reinplärrt: "Gell, Du weisst noch, was wir abgemacht hatte, der Zettel mit dem kleinen abgeknickten Eck, das ist meiner". Ich schaue streng und falte den eh schon gezogenen Zettel auf und dann ...... steht genau der Name von diesem Kollegen drauf. Erste "Schiebung"-Rufe werden laut, ich verfluche innerlich den Moment, als mir keine schlagfertige Absage für die Losfeenummer eingefallen ist, aber es wird noch viel schlimmer.

5. Bevor nun die 300€-Flasche Wein verlost wird, hält der Gastgeber noch einen kleinen Vortrag, dass es weltweit nur 100 Flaschen davon gäbe und dass der Wein unglaublich grossartig und wertvoll wäre und wie toll das alles sei und dann darf/muss ich ziehen. Und dann passiert das allerschlimmste, was ich zwar in meiner kurzen Risikobetrachtung als extrem ätzend, aber auch extrem unwahrscheinlich eingestuft habe, und deswegen (ich hatte schon einen halben Glühwein vor der Risikobetrachtung getrunken) hatte ich ausser "Ach was, das passiert eh nicht" keine Verhinderungsmassnahme getroffen oder wenigstens Vertuschungsverhalten eingeplant. Schon beim ersten leichten Auffalten des gezogenen Zettels erkenne ich meine eigene Handschrift. Wie schaut denn das jetzt aus? Erst einen ehemaligen Produktkollegen, dann meine Heimfahrtgelegenheit, dann mich selber? Und anstatt souverän irgendeinen Namen zu rufen (am besten noch den des Verwaltunsratsmenschen, aber von dem wusste ich ja nur die Abkürzung) und den Zettel aufzuessen oder zu verbrennen, werde ich knallrot, sage "Ah, ja, ne, also, ähm, den natürlich nicht, da muss ich nochmal, also, äh, sorry", warte vergeblich auf das Loch, das sich unter mir auftut und der Gastgeber schaut mich an, meint "Was, hast Du Deinen Namen gezogen? Ist doch super, hier ist der Wein, herzlichen Glückwunsch, klar nimmst Du den!"
Und ich bin schon so neben der Spur, dass ich es nicht schaffe, das irgendwie cool hinzukriegen, sondern mich zwar recht lang weigere, aber dann unter lautem "Schiebung, das ist ja sowas von getürkt, zeig mal die anderen Zettel, hast Du dich schon für einen Job bei der FIFA beworben, Karin Blatterina"-Geschrei mit hochrotem Kopf und dem blöden sauteuren Wein auf meinen Platz zurückschleiche. Aber hey: ich hatte es total leicht an dem Abend, mit allen ins Gespräch zu kommen, es gab nie unangenehmes Schweigen, das ich mit peinlichen Schwänken aus meiner Jungend füllen musste, nein, mein grösstes Fettnäpfchen war ja praktisch noch warm.


Meine Güte. Neu auf der Liste "Was bei Weihnachtsfeiern falsch laufen kann" nach der "Fast Betonschuhe von den Triaden bekommen wegen Zechprellerei" jetzt die "Losfee des Grauens"

5 Kommentare:

sabigleinchen hat gesagt…

Ach Quatsch, da kanns du doch nichts dafür. Viel Freude mit dem sauteuren Wein, hoffentlich ist der wenigstens wirklich richtig gut :D

Anonym hat gesagt…

Hoffentlich hat er nach den Erfahrungen keinen bitten Beigeschmack.
Ich wünsche Euch guten Genuss in netter Runde!

Anonym hat gesagt…

Autsch. Blöd, dass diese vorsätzlich unlustige Aktion auf Ihre Kosten ging.
Schließe mich sabigleinchen an - um das auszugleichen, muss der Wein wirklich gut sein.

Katharina hat gesagt…

Au schei......!
Virtuelles Fremdschämgefühl bzw.wie heißt das denn, wenn man sich schon beim Lesen vor Unangenehmheit windet? Ohne die zuvor getürkte Verlosung wäre es ein bisschen besser gewesen. Aber was willste machen? In ein paar Jahren ist das eine sehr, sehr nette Anekdote

Mareike hat gesagt…

Ich glaube auch mit einigem Abstand wird das eine sehr schöne Geschichte die man immer wieder gerne mal zum Besten gibt. Ich wäre aber wahrscheinlich auch am Liebsten im Erdboden versunken.
Aber auf alle Fälle: super schönes Kleid!!!!

LG
Mareike